Den Originalartikel der Frankfurter Allgemeine (faz) finden Sie hier:
Den Ruf, übertrieben cool zu sein, hatte Bausparen nie. Seit Jahren
kämpfen die Bausparkassen dagegen. In allerlei Fernsehwerbung haben sie
versucht, den jungen Menschen den eklatanten Widerspruch vor Augen zu
führen: Ihr alle wollt schöner wohnen und keinen Ärger mit dem
Vermieter? Warum findet ihr dann Bausparen spießig? In der Vergangenheit
konnten die Bausparkassen sich jedoch stets darauf verlassen: Auch ohne
hippes Image wurden ihre Produkte in Deutschland zuverlässig
nachgefragt. Wenn jemand sein Haus bauen wollte, dann hat er sich zwar
den Großteil des Geldes als Baukredit von der Bank geliehen. Aber einen
Grundbestand hatte er zuvor angespart – und zwar mit einem
Bausparvertrag.
Das scheint sich im Augenblick zu ändern – und es trifft die Bausparkassen ins Mark. Obwohl es in Deutschland einen Immobilienboom gibt und gebaut, ausgebaut und renoviert wird wie lange nicht mehr, können die Bausparkassen davon nicht recht profitieren. Obwohl die Flucht in die Immobilien für viele Sparer eine der wenigen Möglichkeiten ist, der Niedrigzinsfalle zu entkommen, machen die Bausparkassen damit kein Jahrhundertgeschäft – die ersten könnten sogar selbst bald Opfer der Niedrigzinsphase werden.
Den Bausparkassen geht es nicht gut
„Das Geschäftsmodell der Bausparkassen ist hochgradig gefährdet“, sagt Dirk Schiereck, Bankenprofessor in Darmstadt. Im Moment schaffen es viele Bausparkassen zwar noch, ihre Geschäftszahlen gut aussehen zu lassen. Die Bausparkasse Wüstenrot beispielsweise, die in der vergangenen Woche ihre Zahlen vorgestellt hat, konnte durch einen Beteiligungsverkauf einen Teil der negativen Effekte aus den sinkenden Zinsen wettmachen. Schiereck jedoch prophezeit: „Wenn die Niedrigzinsphase noch zwei, drei Jahre anhält, werden die ersten Bausparkassen in existentielle Not geraten.“ Die Bausparkassen seien die „noch viel zu wenig beachteten Verlierer der Niedrigzinspolitik“.Was steckt dahinter? Warum treffen die niedrigen Zinsen die Bausparkassen so besonders? Und: Muss die Zukunft der Branche auch den deutschen Bausparern Sorgen bereiten?
Erste Anzeichen jedenfalls, dass es den Bausparkassen nicht so richtig gut geht, sind unübersehbar. Sogar die größte deutsche Bausparkasse, Schwäbisch Hall, bei der es noch besser läuft als bei so manchem Konkurrenten, hat bei der Vorstellung ihrer Jahresergebnisse keinen Hehl daraus gemacht. Vorstandschef Reinhard Klein kündigte an, die Kosten um 50 bis 80 Millionen Euro im Jahr reduzieren und 200 bis 250 Stellen streichen zu wollen – „sozialverträglich“, versteht sich.
Viele Verträge noch mit hohen Zinsen abgeschlossen
Ein Teil der Bausparer bekam die Probleme der Branche aber noch unmittelbarer mit: Eine Reihe von Bausparkassen sind dazu übergegangen, ältere Bausparverträge, bei denen bestimmte Bedingungen erfüllt waren, von sich aus zu kündigen: Einer Frau aus Rheinland-Pfalz beispielsweise, die noch zwei Bausparverträge aus den achtziger Jahren über jeweils 10.000 Euro hatte, bei denen sie noch 2,5 Prozent Zinsen bekam.In anderen Verträgen aus den neunziger Jahren sind zum Teil sogar noch mehr als 3,5 Prozent Zinsen vereinbart – etwa das Dreifache von dem, was man heute auf einem Tagesgeldkonto bekommt. Inzwischen wurden mehr als 150.000 Verträge gekündigt – die meisten von den Landesbausparkassen, aber auch einige von privaten Bausparkassen wie Wüstenrot.
Wenn bei diesen alten Verträgen bereits 100 Prozent der Bausparsumme angespart wurden, scheint die Kündigung durch die Bausparkasse weniger problematisch zu sein. Strittig sind vor allem Fälle, in denen noch nicht die volle Bausparsumme erreicht wurde, aber die Bausparverträge seit mehr als zehn Jahren zuteilungsreif sind; also im Prinzip ein Bauspardarlehen in Anspruch genommen werden könnte, der Sparer das aber nicht macht. Das werteten einige Bausparkassen als Indiz dafür, dass der Bausparvertrag als reine Kapitalanlage „missbraucht“ werde, ihre eigentliche Bestimmung als „Zwecksparen“ also abhandengekommen sei – und leiten daraus ein Kündigungsrecht ab.
Niedrige Zinsen machen Bausparkassen zu schaffen
Ein Skandal, wie Verbraucherschützer kritisieren: Es liege nicht im Ermessen der Institute, Verträge zu kündigen, nur weil ihnen die damals vereinbarten Zinsen heute nicht mehr passten. Zum Teil werden diese Fälle die deutsche Justiz wohl noch einige Zeit beschäftigen. Eine höchstrichterliche Rechtsprechung jedenfalls fehlt bislang. Es gibt lediglich Schiedssprüche und ein Urteil des Landgerichts Mainz aus dem Jahre 2014 – zugunsten der Bausparkassen.Was steckt dahinter, wenn eine Branche, um die es ziemlich lange ziemlich ruhig war, auf einmal so für Negativschlagzeilen sorgt?
Oberflächlich betrachtet, haben die Bausparkassen einfach mit denselben Schwierigkeiten zu kämpfen wie viele Sparkassen auch. Die Zinsen sind extrem niedrig, und sie unterscheiden sich für längere Fristen kaum von kürzeren. Das lässt die Marge schrumpfen: Kreditinstitute, die davon gelebt haben, dass die langfristigen Zinsen für Kredite deutlich höher waren als die kurzfristigen für Spareinlagen, haben ein Problem.
Aber: Bei den Bausparkassen kommt ein zweiten Problem hinzu. Die Idee des Bausparens war schließlich so: Man spart eine Zeitlang. In dieser Zeit bekommt man für seinen Bausparvertrag nicht so richtig viel Zinsen. Dafür gibt es nach dieser Ansparphase, wenn man sein Haus tatsächlich baut, einen Kredit zu vergleichsweise günstigen Konditionen.
Baukredit als Kapitalanlage
Heute dagegen haben die Bausparkassen kaum mehr die Möglichkeit, die anderen Banken bei den Darlehenszinsen deutlich zu unterbieten. „Man bekommt heute ja schon bei Banken Baufinanzierungen für weniger als zwei Prozent Zinsen angeboten“, sagt Bankenprofessor Schiereck. „Das können die Bausparkassen schwer unterbieten, wenn man auch noch die entsprechenden Gebühren berücksichtigt.“ Und selbst wenn es noch einen kleinen Abstand zwischen Baugeld und Bauspardarlehen gebe, sei es vielen Bauherren schlicht zu lästig, für einen minimalen Zinsvorteil zwei verschiedene Kredite aufzunehmen und sich darum zu kümmern.Das Ergebnis: Bausparverträge werden von vielen nicht mehr als eine Möglichkeit gesehen, günstig an einen Hauskredit zu kommen. Sondern lediglich als eine Kapitalanlage, die noch vergleichsweise gut verzinst wird. Man muss das Bauspardarlehen schließlich nicht in Anspruch nehmen. In besonderem Maße gilt das für ältere Bausparverträge, bei denen die Sparzinsen noch deutlich höher waren.
Das hat für die Bausparkassen fatale Folgen: Sie haben jede Menge Spareinlagen. Aber ihnen fehlen attraktive Möglichkeiten, das Geld, das nicht als Darlehen ausgereicht wird, wieder zu vernünftigen Zinsen anzulegen.
Und es wird immer schlimmer: Je mehr alte Geldanlagen mit hohen Zinsen auslaufen, in die Bausparkassen investiert hatten, desto schwieriger wird es für sie, eine attraktive neue Anlage zu finden.
Sparkassen forderten schon staatliche Sparzulage
Ähnlich wie bei Lebensversicherungen wird dieses Problem dadurch verschärft, dass den Bausparkassen vom Gesetzgeber nicht alle Möglichkeiten der Geldanlage erlaubt sind. Verboten sind den Bausparkassen beispielsweise Aktiengeschäfte oder das Eingehen von Währungsrisiken. Dabei gehören gerade Aktien zu den wenigen Anlagen, die im Augenblick noch etwas Rendite bringen, wie viele Sparer aus leidvoller Erfahrung wissen. Hingegen sind „mündelsichere Anlagen“ wie deutsche Staatsanleihen oder Pfandbriefe, die durch Immobilien besichert sind, im Augenblick nicht gerade die Renditebringer. Und in sie sollen die Bausparkassen vor allem investieren, so sieht es die Gesetzeslage vor.Auch bei den Bausparkassen sieht man die Probleme, die auf sie zukommen – und schreit nach dem Staat. Während einzelne Sparkassen zuletzt schon gefordert hatten, der Staat solle künftig eine Sparzulage zahlen, um das Sparen für die Sparer wieder attraktiv zu machen, setzen die Bausparkassen sich für eine Änderung des Bauspargesetzes durch den Bundestag ein. Das ist ihre Art, in der Krise nach staatlicher Hilfe zu rufen.
Ihr Wunsch: Den Bausparkassen sollte erlaubt werden,
ihr Geld mit mehr Rendite, aber damit natürlich mit mehr Risiko
anzulegen. Ihnen könnte beispielsweise eine gewisse Aktienquote
zugestanden werden. „Die Bausparkassen wollen nicht zocken“, sagt
Andreas Zehnder, der Chef des Verbandes der Privaten Bausparkassen.
Gleichwohl müsse „geprüft“ werden, ob der Anlagekatalog der Produkte, in
die Bausparkassen investieren dürfen, nicht ergänzt werden könne.
Bankenaufsicht hat Bausparen im Blick
Ein dritter Wunsch der Bausparkassen: Es könnte Erleichterungen bei Fusionen geben. Wenn es vielen Bausparkassen in Zukunft schlecht gehen wird, könnten Übernahmen schließlich häufiger werden. Bislang gibt es dabei gesetzliche Vorschriften, die zum Beispiel das Verschmelzen von zwei EDV-Systemen zweier Bausparkassen schwierig machen.Gespräche mit der Politik und den Aufsichtsbehörden darüber gebe es schon länger. „Wir hoffen, dass die Gespräche in diesem Jahr in eine Gesetzesinitiative einmünden“, sagt Verbandschef Zehnder. „Konkrete Absichten des Bundesfinanzministeriums sind uns allerdings nicht bekannt.“
Bankenprofessor Schiereck treibt denn auch eine ganz andere Sorge um: Wenn die Bausparkassen zunehmend merken, dass ihr altes Geschäftsmodell nicht mehr funktioniert, gehen sie möglicherweise höhere Risiken ein. „Bausparkassen könnten verstärkt in die Übergangs- und Zwischenfinanzierung für Immobilien einsteigen – aber das ist mit mehr Risiko verbunden.“
Selbst die Bundesregierung hat diese Entwicklung schon auf den Plan gerufen. Auf eine parlamentarische Anfrage der Grünen im Bundestag hin ließ sie antworten, man habe die Bankenaufsicht Bafin gebeten, die Entwicklung der Risikosituation und die Solvenz der Bausparkassen zu überwachen und „gegebenenfalls Maßnahmen zu ergreifen“. Die Bankenaufsicht wiederum versichert, man beobachte die Bausparkassen genau. „Geschäftsmodelle wie das Bausparen oder die Lebensversicherung sind in besonderer Weise den Folgen eines anhaltenden Niedrigzinsumfeldes ausgesetzt“, warnt der neue Bafin-Chef Felix Hufeld. Von Gesetzesänderungen scheint er trotzdem im Moment nicht viel zu halten.
Die Risiken für Bausparer sind wohl begrenzt
Die Risiken für die Bausparer selbst sind allerdings wohl begrenzt. Mit der Möglichkeit, dass der eine oder andere lukrative alte Bausparvertrag von der Bausparkasse gekündigt wird, muss man offenbar rechnen. Je nach den genauen Umständen kann man dagegen rechtlich vorgehen Die Verbraucherzentrale Baden-Württemberg bietet dazu einen Musterbrief an.Das größere Risiko, dass in Zukunft Bausparkassen in Deutschland insolvent werden und man als Bausparer sein Geld verliert, ist hingegen durch die Einlagensicherung offenbar nicht besonders hoch. Zumindest, wenn nicht das gesamte Finanzsystem zusammenbricht. Für die Bausparkassen gibt es dabei sogar zwei Säulen der Einlagensicherung: Die meisten Bausparkassen gehören dem Bausparkassen-Einlagensicherungsfonds an. Zudem gibt es noch Systeme der Einlagensicherung der einzelnen Bankengruppen. Dass diese Sicherungssysteme alle kippen, ist nicht ausgeschlossen, aber unwahrscheinlich.
„Als Kunden sind die Bausparer in einer abgesicherten Position“, meint Bankenexperte Schiereck. „Für das Finanzsystem und die Grundidee des Bausparens aber besteht eine erhebliche Bedrohung.“
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